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  • Tobias Eule

Vorhergehende Prüfung bei Heimatreisen hätte Vorteile für Flüchtlinge und Behörden

Immer wieder werden Heimatreisen von anerkannten Flüchtlingen in den Schweizer Medien heiss diskutiert. Der Bundesrat hat Anfang März 2018 hierzu einen Revisionsentwurf des Asylgesetzes präsentiert, der auf geteiltes Echo gestossen ist. Dieser Beitrag greift die Diskussionen grundsätzlicher auf und zeigt am Beispiel anderer Länder, dass die Thematik ‚Heimatreisen‘ vielleicht einfacher zu lösen wäre als es in der Schweiz der Fall ist.


Wann führen Heimatreisen zum Asylwiderruf?

Anerkannte Flüchtlinge verlieren ihren Flüchtlingsstatus, wenn sie sich wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes stellen. Dieser Grundsatz ist in der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 (Art. 1 Buchstabe C Ziffern 1-6) festgehalten und im Schweizer Asylrecht (Art. 63 Abs. 1) übernommen. Heimatreisen – und damit die zeitweise Rückkehr in das Staatsgebiet, in dem man verfolgt wurde – werden häufig als Indizien dafür gesehen, dass Flüchtlinge ihren Schutzstatus nicht mehr benötigen. Erfährt das Staatssekretariat für Migration (SEM) von einer solchen Reise, prüft es den Widerruf des Asyls. 2017 wurde so 231 Personen ihr Asylrecht widerrufen – auch dank einer neu eingerichteten Meldestelle für Heimatreisen.


Gleichzeitig muss nicht jede Heimatreise bedeuten, dass sich Flüchtlinge wieder unter den Schutz ihres Heimatstaats stellen. Dies hat die Schweizerische Asylrekurskommission schon 1996 in einem Grundsatzurteil festgestellt. Es kann sein, dass Heimatreisen zwingend notwendig sind, ohne dass sich die betroffene Person wieder mit ihrem Heimatstaat identifiziert oder sich unter dessen Schutz begibt. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Todesfälle in der Familie – diese benennt auch das SEM in seinem Handbuch Asyl und Rückkehr (Artikel E6, S.6).


Das Gesetz folgt bisher also dem Grundsatz, dass das Asyl einer Person widerrufen wird, wenn sie sich wieder unter den Schutz des Heimatlandes gestellt hat. Eine Rückkehr in die Heimat wird hierfür in der Praxis als Indiz gewertet, es sei denn, es handelt sich um eine zwingend notwendige Rückkehr. Diese Realität spiegelt auch der aktuelle Revisionsentwurf wieder. So soll die Aberkennung des Flüchtlingsstatus künftig unterbleiben, wenn Betroffene glaubhaft machen, dass die Reise für sie zwingend notwendig war, und dass sie weder die Absicht hatten, sich unter den Schutz des Heimatlandes zu stellen, noch dass ihnen ein tatsächlicher Schutz gewährt wurde.


Wenig überraschend wurde dieser Entwurf aus allen Richtungen kritisiert. Während die SVP die Ausnahmen für zu grosszügig hält, beklagen Organisationen wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Umkehr der Beweislast, da nun Flüchtlinge belegen müssen, warum kein Widerruf vorzunehmen ist, während dies eigentlich die Untersuchungspflicht seitens Behörden sei.


Warum gibt es keine vorhergehende Prüfung?

Weder der Revisionsentwurf noch die Kritiken darauf gehen auf ein zentrales Problem im Schweizer Asylgesetz ein: der Widerruf oder das Absehen davon werden nach der Heimatreise geprüft. So stellt das Handbuch des SEM klar: «Das SEM hat mangels gesetzlicher Grundlage nicht die Kompetenz, vorgängig eine Heimreise zu bewilligen oder zu verbieten.» (Artikel E6, S.6). Ob die Gründe für die Heimatreise einen Widerruf rechtfertigen, kann also erst nachträglich festgestellt werden. Unter diesen Bedingungen ist es nur allzu menschlich, angesichts der potentiell schwerwiegenden Konsequenzen möglichst jeden Verdacht zu vermeiden und auch gerechtfertigte Heimatreisen ganz zu verheimlichen.


Dass es anders geht, zeigen die Erfahrungen anderer Länder. In vielen Staaten ist es möglich, eine Heimatreise vorgängig genehmigen zu lassen und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Hierzu gehören Nachbarländer wie Deutschland und Frankreich, aber auch Staaten mit traditionell restriktiver Asylpolitik wie Dänemark oder Australien. Diese vorhergehende Prüfung erspart Flüchtlingen den Generalverdacht und den Behörden die häufig langwierigen Prüfverfahren.


Statt den Widerruf anders zu regeln, könnte eine vorhergehende Prüfung wie in anderen Ländern Klarheit schaffen. Dies ist besonders relevant, da ein Asylwiderruf in der Regel keine Auswirkung auf die tatsächliche Aufenthaltsberechtigung hat. Dies anerkennt auch das SEM. Von den 231 Asylwiderrufen vergangenes Jahr, stammen 101 Personen aus Vietnam und Bosnien-Herzegowina, also Staaten, in denen die Hauptursachen für Flucht Jahrzehnte zurückliegen. Gerade gegenüber diesen Personen, die sich seit Jahrzehnten rechtmässig in der Schweiz aufhalten und aus zwingenden Gründen in ihr Heimatland reisen, wäre eine beratende Vorabklärung sicherlich fairer als ein nachträglicher Widerrufsprozess, der kaum aufenthaltsrechtliche Wirkung hat.

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