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Writer's pictureNesa Zimmermann

Regularisierung von «Sans Papiers»: Eine neue Perspektive? Teil I

Vor ein paar Wochen kündigte Donald Trump das Ende des «DACA»-Programms (Deferred Action for Childhood Arrivals) an. Dieses Programm rief 2012 die Obama-Regierung ins Leben. Damit wurde die Ausschaffung bestimmter Personen ohne gesetzlichen Status, die so genannten DREAMers, für zwei Jahre ausgesetzt und sie erhielten eine Arbeitserlaubnis. Was Trumps Ankündigung tatsächlich bedeutet, ist jedoch noch unsicher; angesichts der heftigen Kritik, die sie hervorrief, könnte man zu einem Kompromiss gelangen. Auch in den Schweizer Medien schlug Trumps Entscheidung hohe Wellen und führte zu Titeln wie: «Wie Trump die Träume der Dreamer zerstört» und «Dank Trump ist der Traum der Dreamer aus». Die Art und Weise, wie dieses Thema behandelt wird, könnte den Eindruck erwecken, dass es sich bloss um eine weitere «Episode» im Weissen Haus handelt, eine weitere von Trumps Verrücktheiten, die bei uns unvorstellbar wären. Dabei geht oft vergessen, dass es auch in der Schweiz viele Menschen ohne einen legalen Aufenthaltsstatus gibt, die sich ebenso in einer Notlage befinden und nur äusserst begrenzte Möglichkeiten haben, ihren Aufenthaltsstatus zu regularisieren. Man könnte denken, dass es für eine gut integrierte Person, die seit Jahren in der Schweiz lebt und arbeitet oder sogar hier geboren ist, nicht allzu schwer sei, ihre Lage zu regeln: Die Realität ist jedoch eine andere.


Einige Zahlen

Der Status «Sans Papiers» bewirkt, dass sich die statistischen Daten auf Schätzungen stützen und folglich stark variieren. Eine vom Staatssekretariat für Migration (SEM) in Auftrag gegebene und 2015 veröffentlichte Studie schätzt die Zahl der Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz auf 76'000. Diese Schätzung wurde von Nichtregierungsorganisationen kritisiert; die Plattform sans-papiers.ch etwa schätzt ihre Zahl auf «zwischen 90'000 und 250’000». Die Gründe, weshalb diese Menschen über keinen legalen Aufenthaltsstatus verfügen, sind unterschiedlich: Laut der zitierten Studie seien ungefähr zwei Drittel von ihnen entweder illegal oder mit einem inzwischen abgelaufenen Touristenvisa in die Schweiz eingereist; ein Fünftel seien abgewiesene Asylsuchende und ein weiterer Fünftel Personen, deren Aufenthaltsbewilligung und in selteneren Fällen deren Niederlassungsbewilligung abgelaufen ist. Selbst gemäss der konservativen Schätzung der Studie des SEM sind in diesen Zahlen ungefähr 3000 Familien mit Kindern, die in der Schweiz geboren wurden, enthalten.


Personen mit ungeregeltem Aufenthalt sind zwar nicht rechtlos, ihre Lage ist jedoch äusserst prekär. Wenn ein gesetzlicher Status fehlt, ist die effektive Ausübung zahlreicher Rechte eine Illusion, und sie werden öfter Opfer von Ausbeutung, etwa durch Arbeitgebende oder Vermieterinnen und Vermieter. Es ist daher nicht überraschend, dass von den involvierten Vereinigungen und von Politikerinnen und Politikern seit langem eine vereinfachte Regularisierung – und insbesondere eine kollektive Regularisierung – der «Sans Papiers» gefordert wird.


Regularisierungsmöglichkeiten: Von der Theorie…

Die Regularisierungsmöglichkeiten sind zurzeit äusserst begrenzt. Von einer Heirat, einer eingetragenen Partnerschaft oder dem Familiennachzug abgesehen, hat eine «Sans Papiers» zur Regularisierung ihrer Situation nur die Möglichkeit, ein Gesuch um Anerkennung als «schwerwiegender Härtefall» aus dem Asylbereich oder als «schwerwiegender persönlicher Härtefäll» im Ausländerrecht zu stellen. Diese Bestimmungen sind in der Praxis beinahe deckungsgleich und erlauben es, von den Zulassungsvoraussetzungen abzuweichen und eine Ausnahmebewilligung aus «humanitären» Gründen zu erteilen. Dabei handelt es sich nicht um einen Anspruch der betroffenen Personen, sondern um eine Entscheidung im Ermessen der kantonalen Behörden, die zudem vom SEM bestätigt werden muss. Die Behörden müssen mehrere Faktoren berücksichtigen, darunter die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, die berufliche und soziokulturelle Integration, die Einhaltung der schweizerischen Rechtsordnung, der Gesundheitszustand und die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat.


…zur Praxis

Diese Kriterien sind in der Praxis schwer zu erfüllen, unter anderem, weil sie von den Behörden restriktiv ausgelegt werden. Beim Kriterium der Dauer der Anwesenheit in der Schweiz werden beispielsweise die Jahre, die eine Person ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz verbracht hat, nicht berücksichtigt. Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass es nicht mehr möglich ist, eine asylsuchende Person auszuschaffen, die über zehn Jahre in der Schweiz gelebt hat. Für Personen mit ungeregeltem Aufenthalt gibt es keinen vergleichbaren Schutz. Im Übrigen hebt das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) bei der Prüfung, ob der/die Betreffende die schweizerische Rechtsordnung eingehalten hat, regelmässig den unberechtigten Aufenthalt und die unerlaubte Beschäftigung in der Schweiz als negatives Element hervor. Ein weiteres, schwer zu erfüllendes Kriterium ist die berufliche Integration: Das Gericht ist der Auffassung, dass es ausser im Fall einer aussergewöhnlichen beruflichen Karriere nicht ausreicht, einer festen, regelmässigen Arbeit nachzugehen, um einen Härtefall darzustellen. Die restriktive Auslegung der Rechtsprechung hat zur Folge, dass «praktisch nur Familien mit jugendlichen Kindern Erfolgschancen haben, sofern sie auch die anderen Kriterien erfüllen» (S. 60).


Die enge Auslegung der Gerichte lässt vermuten, dass die Regulierung durch Härtefälle, weder darauf abzielt, lange andauernde Situationen zu normalisieren, noch darauf, eine erfolgreiche Integration in die schweizerische Gesellschaft zu «belohnen». Ausserdem sind die Auswirkungen quantitativ gering: 2014 führten gutgeheissene Härtefälle zur Regularisierung von 400 Personen. Verglichen mit der Gesamtzahl der Menschen mit ungeregeltem Aufenthalt in der Schweiz ist das wenig. Der grosse Ermessensspielraum der Behörden in diesem Bereich führt zudem dazu, dass die Entscheide kaum vorhersehbar sind. Diese mangelnde Transparenz wiegt für «Sans Papiers» besonders schwer, denn ein Härtefallantrag bedeutet, dass sie ihre Identität und Anwesenheit offenlegen und sich so gegenüber den Behörden exponieren.


Aus diesen Gründen haben sich die Vereinigungen der «Sans Papiers» und bestimmte politische Gruppen lange für eine kollektive Regularisierung eingesetzt. Dies wurde zwar stets abgelehnt, aber in mehreren Kantonen wird aktuell über andere Vorschläge diskutiert. Diese Lösungsmöglichkeiten werden nächste Woche in einem zweiten Teil vorgestellt.

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