Steht das Asylwesen wie zuletzt im Mittelpunkt der politischen und medialen Aufmerksamkeit, ist der Familiennachzug regelmässig einer der zentralen Streitpunkte: Inwieweit sollten Personen, die in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht haben, eine Einreisebewilligung für im Ausland befindliche Familienmitglieder erwirken können, inwieweit auf ihre familiären Beziehungen verzichten müssen? In der öffentlichen Diskussion fallen nicht nur die Antworten hierauf unterschiedlich aus – es werden diesen Antworten auch unterschiedliche Wahrnehmungen des geltenden Nachzugsregimes zugrunde gelegt. Dies nimmt der vorliegende Beitrag zum Anlass, in den Grundzügen zu erläutern, wie das anwendbare Recht und die Rechtsprechung den Familiennachzug im Asylbereich heute ordnen.
Asylsuchende im laufenden Verfahren (d.h. Personen, welche ein Asylgesuch eingereicht, aber noch keinen Entscheid erhalten haben; Ausweis N) haben keinerlei Anspruch auf Familiennachzug.
Für vorläufig aufgenommene Ausländer (d.h. Personen, deren Asylgesuch abgelehnt und deren Flüchtlingseigenschaft nicht anerkannt wurde, deren Wegweisungsvollzug aber einstweilen unmöglich, unzulässig oder unzumutbar ist; Ausweis F) und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge (d.h. Personen, deren Asylgesuch wegen eines Ausschlussgrunds abgelehnt, deren Flüchtlingseigenschaft aber anerkannt wurde und deren Wegweisungsvollzug folglich unzulässig ist; Ausweis F) kommt nach geltender Rechtsprechung dieselbe Regelung zur Anwendung: Die Behörden können den Nachzug des Ehegatten oder eingetragenen Partners sowie minderjähriger, lediger eigener Kinder bewilligen, sofern die Familie in einer bedarfsgerechten Wohnung zusammenwohnt und nicht sozialhilfeabhängig ist. Zunächst ist allerdings eine Sperrfrist von drei Jahren seit dem Entscheid über die vorläufige Aufnahme abzuwarten (Art. 85 Abs. 7, Art. 88a AuG; Art. 74 Abs. 5 VZAE).
Flüchtlinge mit Asylstatus (d.h. Personen, deren Asylgesuch gutgeheissen wurde; Ausweis B) haben einen Rechtsanspruch auf Nachzug ihres Ehegatten oder eingetragenen Partners sowie minderjähriger eigener Kinder, sofern das Familienverhältnis zum Zeitpunkt der Flucht bereits bestand und keine besonderen Umstände dagegen sprechen (Art. 51 Abs. 4, Art. 79a AsylG). Wurde hingegen das Familienverhältnis erst nach der Flucht begründet, können die Behörden den Nachzug des Ehegatten oder eingetragenen Partners und minderjähriger eigener Kinder bewilligen, wenn die Familie in einer bedarfsgerechten Wohnung zusammenwohnt und nicht sozialhilfeabhängig ist (Art. 44, Art. 52 AuG).
Zusätzlich ergibt sich aus dem Grundrecht auf Achtung des Familienlebens (Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK) ein Anspruch auf Nachzug naher Verwandter, wenn zu diesen eine enge, tatsächlich gelebte familiäre Beziehung besteht, die Beziehung nicht andernorts gelebt werden kann und das private Interesse an der Einreise der Angehörigen die entgegenstehenden öffentlichen Interessen überwiegt. Dies gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung jedoch ausschliesslich für Personen, welche über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügen, also für Flüchtlinge mit Asylstatus und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Für diese ergeben sich im Wesentlichen zwei Vorteile: Sie können grundsätzlich auch andere nahe Verwandte nachziehen (z.B. Elternteile oder Stiefkinder); und in Konstellationen, in denen die Behörden einen Nachzug gemäss Gesetz bewilligen können aber nicht müssen, darf dieser grundsätzlich nur dann verweigert werden, wenn es an einer gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzung wie z.B. der finanziellen Unabhängigkeit fehlt (zum Ganzen BGE 139 I 330 E. 2, 3).
Inwieweit heute im Asylbereich Familienmitglieder aus dem Ausland nachgezogen werden können, hängt also massgeblich vom Aufenthaltsstatus der bereits landesanwesenden Person ab. Ist Asylsuchenden im laufenden Verfahren der Familiennachzug verwehrt, haben Flüchtlinge mit Asylstatus diesbezüglich eine relativ starke, vorläufig aufgenommene Personen eine relative schwache Rechtsposition; wobei vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen jedenfalls ein gewisser grundrechtlicher Schutz zugestanden wird. Schliesslich ist für alle behandelten Personengruppen die Möglichkeit, ein Nachzugsgesuch einzureichen, grundsätzlich zeitlich beschränkt; nämlich auf fünf Jahre (betr. Kinder über zwölf Jahren auf ein Jahr) ab Asylentscheid bzw. ab Ende der Sperrfrist (Art. 73, Art. 74 Abs. 3, 4 VZAE).
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