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Fabienne Bretscher

Terroristen oder Verfolgte?

Belutschistan ist eine Provinz Pakistans, in der seit mehr als siebzig Jahren mehrere Gruppen um ihre Unabhängigkeit kämpfen. Seit sich der Konflikt in den letzten Jahren intensiviert hat, fliehen vermehrt Personen aus der Provinz. Schutz suchen sie vor allem in umliegenden Ländern, aber auch in Europa. Pakistan bemüht sich, diese Personen pauschal als Terroristen darzustellen, welche von anderen Ländern aus Eigeninteresse unterstützt würden. Die UNO und andere Organisationen sprechen dagegen von einer systematischen Verfolgung durch pakistanische Sicherheitskräfte. Was steckt hinter diesem wenig bekannten Konflikt, und wie verhält sich die Schweiz gegenüber belutschischen Schutzsuchenden?


Ein geheimer Konflikt

Das heutige Gebiet Pakistans war bis 1947 unter britischer Kolonialherrschaft. Sowohl Pakistan als auch Belutschistan wurden anschliessend zu unabhängigen Staaten, wobei die Unabhängigkeit im Fall von Belutschistan nur kurz währte: 1948 wurde das Gebiet von Pakistan besetzt und annektiert. Die belutschische Bevölkerung lebt in grosser Armut und profitiert wenig von den in der Region vorhandenen natürlichen Ressourcen. Verschiedene Gruppen setzen sich auf politischer Ebene für mehr Beteiligung am wirtschaftlichen Ertrag und mehr Selbstbestimmung ein. In mehreren Wellen, die letzte hält seit 2003 an, wurde der Konflikt aber auch mit Gewalt ausgetragen. Pakistan versucht allerdings, dies geheim zu halten. Menschenrechtsorganisationen berichten jedoch von zahlreichen Fällen des Verschwindenlassens in Verbindung mit aussergerichtlichen Festnahmen und Tötungen. Vorwiegend davon betroffen sind (angebliche) Mitglieder belutschischer Parteien und Bewegungen und Journalisten. Solche Aktionen werden häufig von militärischen und paramilitärischen Sicherheitskräften oder der Polizei ausgeführt. Es ist jedoch schwierig, verlässliche Informationen über die Situation in der Provinz zu erhalten. Fest steht, dass die belutschische Unabhängigkeitsbewegung neben verschiedenen Formen des politischen und zivilen Widerstands auch bewaffnete Gruppierungen einschliesst, welche neben Anschlägen auf pakistanische Sicherheitskräfte auch zu Gewalt gegen die Zivilbevölkerung greifen.


Belutschische Schutzsuchende in der Schweiz

Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem Urteil vom Mai 2017 auf begrüssenswert detaillierte Art und Weise mit der Menschenrechtssituation in Belutschistan auseinandergesetzt. Es befand, dass ein Mitglied des Baloch National Movement, welcher von staatlichen Sicherheitskräften während mehrerer Monate festgehalten und gefoltert worden war, die Flüchtlingseigenschaft grundsätzlich erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht wies somit das vom Staatssekretariat für Migration (SEM) vorgebrachte Argument, dass die aussergerichtliche Verhaftung und Folter nicht glaubhaft dargelegt worden seien, klar zurück und anerkannte die Verfolgung von Mitgliedern der belutschischen Unabhängigkeitsbewegung in Pakistan. Da aber Teile der Unabhängigkeitsbewegung auch bewaffneten Widerstand leisteten, fügte das Gericht an, dass allenfalls Asylunwürdigkeit aufgrund «verwerflicher Handlungen» gemäss dem Asylgesetz vorliegen könnte. Dieser Vorbehalt wirft die schwierige Frage auf, ob einzelne belutschische Schutzsuchende als Mitglieder einer terroristischen Organisation qualifiziert werden müssen.


Obwohl Pakistan bemüht ist zu verhindern, dass Informationen zur Unabhängigkeits-bewegung an die Öffentlichkeit gelangen, und den bewaffneten Konflikt stattdessen als Bekämpfung terroristischer Gruppen darstellt, hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Entscheid klar gezeigt, dass es diesbezüglich die Berichte von Menschenrechtsorganisationen für glaubhaft hält. Belutschischen Schutzsuchenden, welche sich auf politischer und ziviler Ebene für die Unabhängigkeit eingesetzt haben, sollte somit Asyl gewährt werden, sofern keine Gefahr von den betroffenen Personen ausgeht. Auch eine allfällige Beteiligung an gewaltsamem Widerstand schliesst jedoch eine Asylgewährung nicht zwingend aus, da solche Gewalttaten, sofern sie verhältnismässig sind, allenfalls als politische Delikte qualifiziert werden können.

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