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Auf dem Weg zu einer Neuausrichtung der globalen Flüchtlings- und Migrationspolitik?

Im Rahmen der 71. UNO-Generalversammlung in New York fand im September 2016 eine internationale Konferenz statt, die sich der aktuellen «Migrationsproblematik» widmete. Als Ergebnis dieser Konferenz wurde die «New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten» verabschiedet. Es wurde dort unter anderem vereinbart bis 2018 zwei globale Pakte zu erarbeiten: Einen für Flüchtlinge und einen für eine sichere, geordnete und reguläre Migration.


Vor einem Jahr haben wir auf diesem Blog konstatiert, dass «Angesichts des Mangels an rechtlich bindenden Übereinkünften […] das Ergebnis dieser Konferenz nicht berauschend [ist], zumal auch verschiedene Staatsoberhäupter die Konferenz genutzt haben, um die restriktive Migrationspolitik ihres Landes zu rechtfertigen» und die Frage gestellt, ob durch den globalen Ansatz der Eurozentrismus der Diskussion in der Schweiz und Europa aufgebrochen werden kann und «ob die UNO ihre wieder gefundene Rolle als Plattform für die internationale Migrationspolitik in wirksamer Weise ausüben kann.»


Nunmehr ist in diesem Prozess schon fast Halbzeit und es gilt eine Zwischenbilanz zu ziehen.


Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), welches mit der Ausarbeitung des globalen Paktes für Flüchtlinge beauftragt ist, hat den formalen Konsultationsprozess zum globalen Pakt mit einem Treffen zur weltweiten Verantwortungsteilung in Genf begonnen. Die für das Plenum ausgewählten Beispiele betrafen die Hilfe für syrische, afghanische und somalische Schutzsuchende, sowie den Brazil Plan of Action, der nachhaltige Lösungen für Flüchtlinge, Vertriebene und Staatenlose in Lateinamerika und der Karibik anstrebt.


Bei der Präsentation, war aus europäischer Sicht insbesondere der Brazil Plan of Action interessant, da dieser als vierte Lösung - neben den «klassischen Lösungen» freiwilliger Rückkehr, Integration und Resettlement - «Labour Mobility» (Freizügigkeit) als Teil der angebotenen Lösungen für Flüchtlinge enthält. Dieser Ansatz könnte auch als Vorbild für innovative Lösungen in der aktuellen Diskussion um eine dauerhafte Verantwortungsteilung in Europa (bzw. im Dublin-Raum) dienen. Im Herbst 2017 läuft das auf dem Solidaritätsgedanken beruhende, aber in seiner Wirkung und Ausrichtung umstrittene europäische Relocation-Programm zur Hilfe für Griechenland und Italien vom Herbst 2015 aus. Angesichts der aktuellen Situation ist eine Unterstützung der Grenzstaaten aber weiter dringend nötig.


Während der über 70 Äusserungen von Staaten und weiteren Wortmeldungen von internationalen Organisationen und von NGOs wurde deutlich, dass das Treffen hauptsächlich der Platzierung eigener politischer Interessen galt. So kündigte beispielsweise Jordanien an, keine Integrationsperspektive für syrische Flüchtlinge sondern nur einen temporären Aufenthalt anzubieten, obwohl die Staaten erklärt hatten, sie würden «Massnahmen ergreifen», um die «Integration und Inklusion zu verbessern». Insgesamt war zu beobachten, dass Verantwortungsteilung für viele Staaten heisst, dass ein anderer Staat die (Haupt-)Verantwortung tragen soll. Ausnahmen boten eigentlich nur die Stellungnahmen lateinamerikanischer Staaten, welche die Bedeutung und den Erfolg einer regionalen Verantwortungsteilung betonten.


Diese Tendenz zur Verantwortungsabschiebung ist für den Prozess, der zu einer besseren und gerechteren Verteilung der Verantwortung für den globalen Flüchtlingsschutz führen soll, eine echte Gefahr. Damit würde eine historische Chance auf eine Neuordnung der Flüchtlingspolitik und der internationalen Verantwortungsteilung ungenutzt vorbeiziehen. Wissenschaft, NGOs und weitere zivilgesellschaftliche Akteure sind im Verbund mit den interessierten Staaten und UNHCR gefragt, diesen Prozess für einen echten Dialog und für globale Lösungen zu nutzen. Verächtlich über den Prozess zu sprechen oder zuzuschauen ist keine Option. Der Prozess muss aber dringend mit innovativen und schutzorientierten Ideen und Vorschlägen vorangetrieben werden. Sonst wird der globale Plan für Flüchtlinge mit einem «weiter so wie bisher» enden. Das wäre für Schutzsuchende ein fatales Ergebnis.


Von Constantin Hruschka

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