Im Juli 2016 scheinen die dramatischen Szenen des Vorsommers weit weg. Wir sehen keine Bilder von Trecks von tausenden Schutzsuchenden durch den Balkan mehr, lesen über keine neuen Unterbringungsdramen in Deutschland und müssen nicht noch einmal den tragischen Zusammenbruch des schwedischen Asylsystems miterleben. Die Balkanroute ist – mehr oder weniger – geschlossen, der umstrittene EU-Türkei «Deal» scheint den Migrationsdruck nach Europa abzufedern. Selbst die bayrische CSU sieht inzwischen Obergrenzen für Flüchtlinge nicht mehr notwendig. Hat sich die «Schutzkrise» in Luft aufgelöst?
Die Krise ist keineswegs vorbei
Die politischen Krisen in Syrien und dem Irak, in Afghanistan, Eritrea und vielen anderen Ländern halten an. Die Zahl der Schutzsuchenden ist weiter hoch, vor allem in den umliegenden Staaten. Die Situation in der Türkei drängt zusätzlich mehr und mehr Menschen auf riskantere Reisewege, mit furchtbaren Konsequenzen, weil sich Schutzsuchende dadurch an Land wie auf See enormen Gefahren aussetzen. Die Zahl der Ertrunkenen im Mittelmeer liegt laut UNHCR im ersten Halbjahr 2016 etwa ein Drittel über den Zahlen im gleichen Zeitraum 2015. Die neuen/alten Routen über das Mittelmeer wirken sich auch in der Schweiz aus: Allein in der ersten Woche im Juli sind etwa 1300 Personen ohne formelle Erlaubnis aus Italien eingereist – der bisherige Höchststand 2016. Die Journalistin Anna Reimann hat vor wenigen Tagen einen vielbeachteten Kommentar im Spiegel verfasst, in dem sie die deutsche Regierung für ihre Untätigkeit im Suchen nach langfristigen Lösungen hart kritisiert. «Aus den Augen, aus dem Sinn» kann aber genauso für unser alltägliches Engagement und unsere Hilfsbereitschaft gelten.
Nur weil wir die Flüchtlingsbewegungen weniger wahrnehmen, ist die Lage mitnichten entschärft. Es gibt daher nach wie vor grossen Bedarf an aktiver und passiver Hilfe. Im letzten Sommer war das Engagement von Freiwilligen in der Schweiz und ganz Europa enorm und bewundernswert. In diesem Jahr, wo das Thema weniger präsent ist, darf die Hilfsbereitschaft aber nicht abbrechen.
Wie kann ich helfen?
Die grossen Hilfswerke haben nach wie vor einen erhöhten Spendenbedarf für ihre tägliche Arbeit in den Aufnahmegebieten des Mittelmeerraums.
Wer in der Schweiz Zeit oder andere Ressourcen zur Verfügung hat, findet bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe oder beim Beobachter weitere Informationen.
Wer seine Sommerferien noch nicht verplant hat, kann sich auch im Ausland persönlich einsetzen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und die Erfahrungen können physisch wie psychisch anstrengend, aber auch enorm bereichernd sein, wie diverse Einsatzberichte zeigen. Bei Greecevol oder bei «How to Volunteer in Greece», bei Refugeemap oder mittels dieser Karte kann man sich über aktuelle Einsatzmöglichkeiten in Griechenland informieren. Ärzte ohne Grenzen bietet Informationen über Italien. Die Vereinten Nationen suchen ebenfalls stets Freiwillige. Die SFH hat schliesslich eine nützliche Liste zum Thema erstellt.
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